Mittwoch, 17. Februar 2010

Online muss einen Zeitpfeil bekommen

Es ist Aschermittwoch und passend dazu hat die Social Media Szene aus ihrer Mitte heraus diese Woche ein katharsisches Fegefeuer erlebt. Mirko Lange hat in einem stark diskutierten Blogbeitrag das Dogma des Dialogzwangs aufgegeben. Don Alphonso gab in der FAZ den ganzen Berufsstand der Social Media Berater zum Abschuss frei.

Vielleicht ist es an der Zeit, ein Element der Online-Kommunikation in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen, das wir in den vergangenen 2 Jahren als zu "einsnullig" abgetan haben: die Corporate Website.

Die zentrale Mission lautet: Die Corporate Website ist lebendiger Ankerpunkt für die Interaktion mit den verschiedenen Nutzergruppen im Netz.

Aus den kleinen Visitienkarten waren gerade Anlaufstellen für Kunden, Journalisten, Investoren und Nachwuchskräfte geworden, als zwei Bewegungen vieles in Frage stellten.

Zum einen wurden die Websites einfach zu groß. Nach IR, Pressebereich und Karriere kamen die großen CSR-Bereiche dazu, Sustainability wanderte in die oberste Navigationsebene. Mehr war besser und was IR in der 4. Navigationsebene beschreibt, kann HR nicht auslassen, oder? Aus einem Rechtfertigungszwang für die eigene Existenz wuchsen riesige, undurchschaubare Inhaltstiefen und -breiten. Es fehlte an redaktioneller Führungskraft, Themen umfassend aufzubereiten.

Die zweite Bewegung: In einigen Kommunikationsabteilungen verschob sich der Fokus auf Social Media. In Krisenzeiten wurde im Zweifelsfall eher Web 2.0 als Marketingkanal genutzt als viel Geld in eine Überarbeitung der gewachsenen Strukturen der Website zu verlieren. Viele Corporate Websites sind große Tanker, die richtungslos in einem Meer treiben. Zeit, sie ins Dock zu bringen und gründlich zu überholen.

Aus den Gesprächen mit Jürgen Mayer und Jan Manz heraus entwickelt sich bei mir der Gedanke, dass wir Corporate Websites nur noch mit Zeitpfeil denken dürfen. Corporate Websites müssen schlanker werden, in den Strukturen vereinfacht, in den Funktionen dynamisiert; und sie brauchen in ihrer Mechanik verankert einen kleinen, schnellen Themenmotor.

Zwei Gründe sprechen für die Rosskur:

  1. Die Gewohnheiten der Nutzer haben sich geändert. Was Social Media bewirkt hat, ist die Dynamisierung, die Beschleunigung der Interaktion. Internet ist wie Fernsehen geworden. Wir erwarten nicht mehr nur Informationsdepots. Wir wollen Programm.
  2. In den Unternehmen gibt es mit den Employer Branding Spezialisten und den CSR-Leuten neue Experten. Wir erleben, dass die akronymen Truppen von UK, IR, HR und CSR unterschiedliche Sprachen sprechen. Oft reden sie gar nicht miteinander und machen auf der Website ihr eigenes Ding.

Was ist zu tun?

  • An die Stelle ausufernder Strukturen muss strategisches Themenmanagement treten. Inhalte müssen so aufbereitet sein, dass sie mehrere Nutzergruppen ansprechen. Das ist nicht nur effizient, das macht die meisten Inhalte auch besser weil reichhaltiger in der Aussage.
  • Der Proof für das Markenversprechen liegt in dem, was im Unternehmen passiert. Deshalb sind es die aktuellen Inhalte, die die Website antreiben und wertig machen. In deren Herzen liegt die Mechanik eines Blogs, der seinen Zeitpfeil mitbringt.
  • Authentisch ist, was aus dem Unternehmen herauskommt. Deshalb müssen möglichst viele Bereiche im Unternehmen die Chance haben, direkt aktuelle Inhalte zuzuliefern. Wir brauchen dazu mehr redaktionelles Management und weniger komplizierte CMS. So wie Uwe Knaus den Daimler Blog eher fördert statt kontrolliert, müssen die Verantwortlichen im Unternehmen Autoren anleiten und führen.
  • Websites müssen noch mehr zu Anwendungen werden. Auch das haben die Nutzer mit Google Docs und auf Facebook gelernt. Die neuen Corporate Websites sind Werkzeuge, sie treten in Interaktion und sie sind Schnittstellen für die Community rund um das Unternehmen. Hier findet Social Media statt.

Mein Plan ist, in den nächsten Beiträgen noch mehr über die Corporate Website zu lernen. Ich freue mich über euer Feedback und nehme neue Gedankengänge gerne mit auf.

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